Berlin – 13.12.2019, 11:28 Uh
Die angekündigte Fusion der beiden Großhändler Gehe und Alliance Healthcare würde nicht nur den Großhandelsmarkt, sondern auch den Apothekenmarkt verändern. Hinter beiden Unternehmen stecken amerikanische Großkonzerne, die hierzulande Kosten reduzieren wollen. Die Schließung von Lagern und die Ausdünnung von Apotheken-Services sind zwar nicht angekündigt, aber dennoch denkbar. Nach der Apotheker-Genossenschaft Noweda meldet sich nun auch die Sanacorp zu Wort und wirbt eindringlich für das Genossenschaftsmodell.
Die beiden Großhändler Gehe und Alliance Healthcare wollen ihre Großhandelsgeschäfte in Deutschland fusionieren. In dem Joint Venture soll die Gehe einen Anteil von 30 Prozent einnehmen, die vom Pharmahandelskonzern Walgreens Boots Alliance (WBA) kontrollierte Alliance 70 Prozent – obwohl die Gehe hierzulande einen größeren Marktanteil hat. Branchen-Experten zufolge kämen beide zusammen auf einen Marktanteil von knapp unter 30 Prozent – ein neuer Branchenriese würde also entstehen.
Für die anderen Großhändler im Markt hätte dies unmittelbare Folgen: Die Marktanteile von Phoenix und dem neuen Großanbieter lägen in etwa auf einer Höhe, die Noweda hätte auf einmal zwei große Platzhirsche vor sich und die kleineren Anbieter hätten es vermutlich auf Dauer immer schwerer überhaupt noch zu konkurrieren. Aber auch für die Apotheker könnten einige Veränderungen anstehen: Schließlich haben beide Konzerne in erster Linie den Kostendruck als Beweggrund für ihre Fusion genannt. Die Bereiche in denen eingespart werden könnte, stehen dem Vernehmen nach ebenfalls schon fest: Unter anderem geht es um die Anzahl der Großhandelszentren und die Anzahl der zu den Apotheken gefahrenen Touren.
Sanacorp: Genossenschaften vs. kapitalistische Anteilseigner
Sowohl die Noweda als auch die AEP hatten gestern schon erklärt, dass der Markt vor größeren Umwälzungen stünde, falls die Fusion glückt. Während die Noweda vor dem zunehmenden Einfluss ausländischer Großinvestoren auf das Gesundheitswesen warnt, prophezeit AEP-Chef Jens Graefe, dass die Hälfte aller Großhandelslager in Deutschland wohl schließen werde. Nun meldet sich auch die Apotheker-Genossenschaft Sanacorp zu Wort. So wie die Noweda warnt man auch bei der Sanacorp vor einem zu hohen Einfluss „kapitalistischer Anteilseigner“. Laut Sanacorp ist der „Gegenpol“ zu diesen Anbietern das Genossenschaftssystem. Hier das wörtliche Statement:
Selbstverständlich nehmen auch wir die geplante Zusammenlegung der Großhandelstätigkeiten von Gehe und Alliance Healthcare Deutschland mit Interesse zur Kenntnis. Die angekündigte Fusion, die noch unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Genehmigung liegt, wird die Strukturen im deutschen Pharmagroßhandel auf der Zeitachse erheblich verändern. Sie ist Folge des massiven Kostendrucks in diesem Markt und der Erwartungshaltung der kapitalistischen Anteilseigner in einer globalisierten Welt. Das Interesse der sog. „Global Player“ am deutschen Arzneimittelmarkt, als dem größten in der europäischen Union, wird dadurch sehr deutlich.
Der wichtige und ausbalancierende Gegenpol hierzu ist das genossenschaftliche Lager. Auf Basis unserer stabilen Ertragsorientierung, wird Sanacorp als Apothekerunternehmen im Sinne ihrer Mitglieder und Kunden ihren Weg der konsequenten Qualitäts- und Serviceorientierung unbeirrt fortsetzen. So werden wir auch künftig die öffentlichen Apotheken vor Ort mit unserem umfassenden Leistungsspektrum erfolgreich versorgen, für die berechtigten Interessen unserer Anteilseigner eintreten und auch den neuen Herausforderungen erfolgreich begegnen. Der genossenschaftliche Zusammenhalt wird durch diese Ankündigung sicherlich weiter gestärkt.
Für die Sanacorp ist die Lage nicht einfach: Denn die Genossenschaft sitzt gemeinsam mit der Gehe im Pro AvO-Bündnis, zu dem auch noch der Wort & Bild-Verlag, der Automatenhersteller Rowa und der Apotheken-Dienstleistungskonzern Noventi gehören. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die amerikanischen Großkonzerne McKesson und Walgreens Boots Alliance, die in mehreren Ländern Apothekenketten betreiben, gemeinsam an diesem Bündnis zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken beteiligen werden. Insofern wird sich mit dem Gehe/Alliance-Deal auch die Frage stellen, wie es mit Pro AvO weitergeht.
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